Kunstwissenschaften
An der Schwelle zum Ersten Weltkrieg erdachten sich zahlreiche Kunstschaffende eine Welt aus Glas. Immer neue theosophische, esoterische, anthroposophische Ansätze kamen auf, einmal mehr und einmal weniger an die Erkenntnisse der Wissenschaft oder an die Fantasie, die diese beflügelte, gebunden. Größten Einfluss hatten technische Neuerungen auf die wilden Ideen, die sich mit der Elektrifizierung, der Entdeckung elektromagnetischer Wellen, mit der Möglichkeit, durch Röntgenstrahlen den menschlichen Leib, das ‚Kunstwerk Mensch‘ zu durchleuchten, ergaben. Das Versprechen, das überall vibrierte, war, den Körper in seinen verborgenen Kräften zu zeigen, ganz durchlässig machen zu können. Besonders die bildende Kunst konnte sich für diese funkelnde Tiefe der Welt zwischen technischem Fortschritt und Theosophie begeistern und die Avantgarde stellte sich als besonders offen für neue Konzepte im Orbit solcher Denkräume heraus: Von der Berliner Neuen Gesellschaft bis zu den Gruppen des Monte Verità. In der Auseinandersetzung mit den Bestimmungen des Körpers als Vermittler zwischen Welt und Geist nach der Wende zum 20. Jahrhundert spielten darüber hinaus ästhetische Untersuchungen von Farbe und Licht eine übergeordnete Rolle für die Darstellung und Verbreitung von (pseudo)wissenschaftlichen Theorien, die nun wie Pilze aus dem Boden schossen.
Die Vorlesung beobachtet die Zeit zwischen Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg, kreuzt die Errungenschaften von Technik mit Möglichkeiten der Zerstörung und fragilen Gebilden aus Glas wie von Bruno Taut und Paul Scheerbart; wir widmen uns frühen Science-Fiction Schriften gemeinsam mit Kandinskys Über das geistige in der Kunst; und verfolgen allerlei Konstruktionen zwischen Fortschritts-Esoterik und Erkenntnis-Magie.
Geprägt durch innovative, unkonventionelle Initiativen von Künstler:innen und Kurator:innen zeitgenössischer Kunst in den USA und Europa zwischen den 1970er- und 1990er Jahren – außerhalb etablierter Institutionen–, veränderten sich die Vorstellungen über und die Konstitution von Ausstellungen und ihren Räumen grundlegend. Institutionskritisch, oft temporär und mit ungewöhnlichen Konzepten, im Kollektiv oder als erweiterte künstlerische Geste agierten Künstler:innen und Kurator:innen nun mithilfe neuer Erzählungen an überraschenden Orten und innerhalb spezifischer Gemeinschaften. Im Seminar untersuchen wir gemeinsam wegweisende Ausstellungen wie zum Beispiel: Womanhouse, Los Angeles / kuratiert von Judy Chicago, Miriam Schapiro u.a. (1972); The Times Square Show, New York / kuratiert von COLAB und Fashion Moda (1980); Rooms With a View, New York / kuratiert von Fred Wilson (1987); Chambres d’amis, Ghent / kuratiert von Jan Hoet (1986); Freeze, London / kuratiert von Damien Hirst (1988); Places With a Past, Charleston, North Carolina / kuratiert von Mary Jane Jacob (1991); The Chicago Urban Ecology Action Group, Chicago / kuratiert von Mark Dion und Chicago Urban Ecology Action Group (1993)... Ebenfalls in den Fokus genommen werden Konzepte wie: öffentlicher und alternativer Raum, Ortsspezifik, Institutionskritik, Kollaboration, u.a.
Durch die Ausrichtung des Themas sind einige Grundlagentexte nur auf englischer Sprache verfügbar.
Michael Lüthy
Eine Serie mit kriegerischen Amazonen, den Weltwundern oder den Jahreszeiten und Einzelblätter, die eine Frau beim Teller Waschen, eine majestätische Herzogin oder eine Senfverkäuferin darstellen – in der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart haben sich vielfältige, bisher kaum untersuchte grafische Werke erhalten. Diesen oben Genannten ist gemein, dass sie unter der Mitarbeit von Künstlerinnen entstanden sind, die heute häufig ähnlich unbekannt sind wie die Werke selbst. Im Rahmen des Seminars sollen die Blätter und ihre Künstlerinnen durch kurze Katalogeinträge erschlossen werden, die wir gemeinsam verfassen wollen.
Ziel des Seminares soll es sein, die eigenen Fähigkeiten des Kunstbetrachtens und -beschreibens zu schulen und neben der ikonografischen Untersuchung auch technische und materialästhetische Fragen rund um das Medium Druckgrafik in Augenschein zu nehmen. Um den Fokus auf die einzelnen Werke zu gewährleisten, wird ein größerer Teil der Sitzungen im Studiensaal der Grafischen Sammlungen der Staatsgalerie vor den Originalen stattfinden. Die im Gespräch erarbeiteten Beobachtungen sollen unter Zuhilfenahme von begleitender Lektüre verschriftlicht werden. Zudem soll gemeinsam darüber nachgedacht werden, wie man die Künstlerinnen stärker sichtbar machen könnte.
Michael Lüthy
Sanja Hilscher
Dieses Kolloquium wendet sich speziell an fortgeschrittene Studierende der Kunstpädagogik. Es soll die mündliche Abschlussprüfung im KW-Modul (und nach GymPo) am 24. und 25. März 2025 vorbereiten. Durch Kurzreferate und gemeinsame Werkanalysen soll ein Überblick über die Geschichte der europäischen Kunst vertieft werden. Material zur Veranstaltung wird im Portalraum bereitgestellt.
Dr. Katharina Neuburger und Prof. Dr. Michael Lüthy
Kunstwissenschaft, für alle Studierende, für alle Module
Ausgehend von Künstler*innen im Paris der 1920er-Jahre, die mithilfe neuer bildnerischer und theoretischer Mittel buchstäblich „über den Realismus“ hinausgehen wollten, streuten sich die Kernanliegen der Bewegung weit über Europa hinaus.
„Le Monde au temps des surrealistes“ – wie eine berühmte „Weltkarte des Surrealismus“ aus dem Jahr 1929 heißt – umspannte die ganze Welt. Während Malerei, Zeichnungen und Collagen jener Künstler*innen, die sich der Bewegung anschlossen, oder an sie anlehnten, hervorragend bearbeitet sind, gibt es zur Plastik und Skulptur des Surrealismus noch viel zu entdecken. Das Seminar widmet sich den Gründungsjahren der Bewegung in den 1920er-Jahren bis zu ihren Ausläufern in den 1960er-Jahren.
Der Fokus liegt auf der dialogischen Auseinandersetzung zentraler bildhauerischer Werke (wie z.B. von Eileen Agar, Jean Arp, André Breton, Augustín Cárdenas, William Copley, Joseph Cornell, Salvador Dalí, Marcel Duchamp, Max Ernst, Alberto Giacometti, Yamamoto Kansuke, Friedrich Kiesler, Dora Maar, Sonja Ferlov Mancoba, Joyce Mansour, Maria Martins, Meret Oppenheim, Mimi Parent, Man Ray, Elsa Schiaparelli, Remedios Varo) und wesentlicher theoretischer Grundlagen sowie Manifeste und Texte der Künstler*innen selbst.
Donnerstags, 14-täg., 10:00-13:00
Einführung: 17.10.2024
Seminarsitzungen: 31.10.2024, 14.11.2024, 28.11.2024, 12.12.2024, 09.01.2025, 23.01.2025, 06.02.2025
Dieses Kolloquium wendet sich speziell an fortgeschrittene Studierende der Kunstpädagogik. Es soll auf die mündliche Prüfung in Kunstgeschichte im März 2021 vorbereiten. Durch Kurzreferate und gemeinsame Werkanalysen soll ein Überblick über die Geschichte der europäischen Kunst vertieft werden.
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Ikonographie ist neben der Stilanalyse ein wichtiges Instrument der kunsthistorischen Forschung. Nach der von Erwin Panowsky mitbegründeten Methode folgt auf die genaue Bildbeschreibung die Benennung des Dargestellten und die Deutung im jeweiligen kulturellen Kontext. Die Kenntnis des Gezeigten und dessen Bildtradition kann dabei wertvolle Hinweise auf Künstler, Auftraggeber und Zeitgeschichte liefern. Im Sommersemester sollen einige der wichtigsten Motive der profanen Ikonographie behandelt werden. Der Schwerpunkt wird dabei auf der griechischen (bzw. römischen Mythologie) liegen. Daneben sollen aber auch häufige Personifikationen und Allegorien betrachtet und ein kurzer Blick auf die germanische Sagenwelt geworfen werden. As Beispiele werden dabei Werke aus der gesamten europäischen Kunstgeschichte dienen, um den Variantenreichtum der einzelnen Themen aufzuzeigen.
Hieronymus Bosch (um 1450/55–1516) war schon zu Lebzeiten für seine fantastischen Bilderfindungen berühmt. Heute ist sein Name zum Synonym für Spuk und Höllenbilder geworden. Die kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk Hieronymus Boschs begann Ende des 19. Jahrhunderts. Seither sind weit mehr als tausend Publikationen zu diesem Maler erschienen. Vor allem sind sie dem Versuch gewidmet, seine so rätselhaft anmutenden Bildwelten zu erklären. Seltener beschäftigen sie sich mit seinem Stil. Und ganz selten wird beides gleichermaßen in den Blick genommen. Aus Wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive ist Hieronymus Bosch gleichsam ein Modellfall für die Irrungen und Wirrungen der Kunstgeschichte und ihre methodischen Grundlagen. Die Vorlesung ist gleichermaßen als Einführung die Rezeptionsgeschichte angelegt, wie als Einführung in Leben und Werk. Dabei sollen nicht nur sondern auch der Künstler und seine Werke in den Blick genommen werden, die unterschiedlichen Wege der wissenschaftlichen Annäherung.
Das Seminar verfolgt mehrere Anliegen: Ziel ist es zunächst, Wissen über bedeutende frühneuzeitliche Künstlerinnen zu vermitteln. Die Auswahl der Beispiele erfolgt dabei nicht willkürlich, sondern ganz konkret auf Grundlage württembergischer Sammlungsbestände. Besprochen werden sollen beispielsweise Clara Peeters, Teresa del Pò oder Angelika Kauffmann. Wir werden uns ansehen, welche Künstlerinnen in den lokalen Museen vertreten sind, wie ihre Bilder in die Sammlungen kamen und ob die Werke (öffentlich) sichtbar waren und rezipiert wurden.
Neben diesem Blick in die Vergangenheit und auf die Provenienzen der Bilder, gilt es in dem Seminar gemeinsam mit Expert:innen vor Ort auch in die Gegenwart und Zukunft zu schauen und nach der Vermittlung dieser Werke zu fragen. Dabei werden wir diskutieren, welche Strategien es gibt, um die häufig lange unsichtbar gebliebenen Künstlerinnen auszustellen. Ausgehend von konkreten Einzelfällen soll auch ganz grundlegend gefragt werden, welche Parameter ausschlaggebend für die Bekanntheit und Präsenz von Künstler:innen in Geschichte, Forschungsdiskurs und Museum sind und sein sollten.
Anschließend an zwei vorbereitende Sitzungstermine in der Akademie wird der Kurs vor Originalen stattfinden. Geplant sind Besuche der Staatsgalerie Stuttgart (Ausstellungsräume und Studiensaal der Graphischen Sammlung), des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg sowie der Sonderausstellung der Kunsthalle Karlsruhe im ZKM.