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Kursthemen

  • Allgemeines

    Vorlesung von Prof. Dr. Michael Lüthy, Sommersemester 2023

    Ambiguität ist eine allgegenwärtige Erscheinung. Sie tritt in sämtlichen Bereichen des menschlichen Lebens auf, sowohl als objektive Eigenschaft von Phänomenen als auch deren subjektivem Erleben.

    In manchen Situationen wird Ambiguität negativ erfahren: Sie irritiert, verunsichert oder erzeugt Aggressionen. Wenn die Diagnose eines Arztes doppeldeutig ausfällt oder wir das Verhalten des eigenen Partners als ambig empfinden, entsteht nicht Genuss, sondern Leiden. In anderen Konstellationen zeigt Ambiguität ihre positiven Seiten. Eine höfliche Floskel ist oft sinnvoll, auch wenn uns nach dem Gegenteil zumute ist; insbesondere die Diplomatie spricht freundliche Worte selbst dann, wenn der Dialog kurz vor dem Scheitern steht. Vor allem aber in der Kunst, der Werbung oder der politischen Satire gehört die Produktionvon Ambiguität zu den unverzichtbaren Strategien – sei es, um der Erwartung an Komplexität und Deutungsoffenheit zu genügen wie in der modernen Kunst, sei es, um die Aufmerksamkeit länger zu binden wie bei der Werbung, sei es, um angesichts drohender Zensur die gemeinte Botschaft verdeckt zu äußern wie im politischen Kabarett.

    Vor diesem Hintergrund wendet sich die Vorlesung der Bedeutung der Ambiguität für die Kunst zu. Seit der Begründung der Ästhetik als philosophischer Disziplin im 18. Jahrhundert gilt Ambiguität (oder alternativ: Unbestimmtheit, Ambivalenz, Offenheit) als wesentliches Charakteristikum des Ästhetischen. Insbesondere aufgrund der Oszillation zwischen Sinnlichem und Begrifflichem besitzt das Ästhetische, so die entsprechende Auffassung, einen eigenen Erkenntniswert, der sich von den Limitierungen des logischen Denkens produktiv abgrenzt. Das Ästhetische gibt, so Immanuel Kants berühmte Formulierung, „viel zu denken“, ohne begrifflich fixiert werden zu können. In der Vorlesung sind diese allgemeinen Bestimmungen ästhetischer Ambiguität der Ausgangspunkt, um die Besonderheit künstlerischer Ambiguität herauszuarbeiten, wobei die Ambiguität von Werken der bildenden Kunst im Mittelpunkt steht. Theorien der Ambiguität kommen ebenso zur Sprache wie die höchst unterschiedlichen Ausprägungen bildnerisch-plasticher Ambiguität. Das Ziel der Vorlesung besteht darin, Ambiguität als Zentralbegriff im Verstehensprozess von Kunstwerken herauszuarbeiten.


    Zeit: donnerstags, 10:15 – 12:00

    Termine: 27.4. / 4.5. / 11.5. / 25.5. / 15.6. / 22.6. / 29.6. / 13.7. / 20.7.

    Ort: NB I, 3. OG, Hörsaal 301

    Anmeldung per Email an: michael.luethy@abk-stuttgart.de